10 Tiere in der Medizin

Autorin: Anneke Meyer

Dr. med. Wurm

Einer der ältesten „medizinischen Assistenten“ aus dem Tierreich ist der Blutegel. Der Regenwurmverwandte startete seine Karriere im Gesund-heitssektor vor über 5.000 Jahren. Heute hilft er vor allem beim Behandeln von Arthrosen oder Thrombosen. Einer der vielseitigsten „Assistenten“ ist hingegen das Schwein: Weil aus seiner Bauchspeicheldrüse Insulin für Dia-betiker gewonnen werden kann. Und weil es aufgrund physiologischer Ähnlichkeiten mit dem Menschen zum wichtigen Organspender und Modellorganismus der Biomedizin geworden ist.

Welches Tier ist wofür geeignet?

Affen stehen dem Menschen zwar verwandtschaftlich viel näher als Schweine. Als Organspender kommen sie genau deswegen aber nicht in Betracht. Die Ethik verbietet es. Die Biologie auch. Denn Krankheiten wer-den zu leicht zwischen den Spezies übertragen. Für die Entwicklung von Impfstoffen oder Aids-Medikamenten ist die nahe Verwandtschaft jedoch sehr interessant. Hier wie in vielen anderen Fällen fängt die Humanmedizin von heute beim Tier an. Und manchmal hört sie auch dort wieder auf. So sind einige Anwendungen, die entwickelt wurden um Menschenleben zu retten, nun auch in der Veterinärmedizin zugelassen.

Diese Folge des hr-iNFO-Funkkollegs zeigt an unterschiedlichen Beispielen, wie und in welchem Maße Tiere die Humanmedizin bereichern können – von innerer Medizin bis Chirurgie. Welcher Aufwand steckt dahinter? Wel-che Tiere kommen weshalb wofür in Betracht? Welche Vorsichtsmaßnah-men sind zu treffen?

Folge 10 anhören:

Sendung in hr-iNFO: 27.02.2021, 11:30 Uhr

Gesprächspartner*innen dieser Folge

  • Isabelle L’Allemand, Apothekerin, Dünsberg-Apotheke Biebertal
  • Dipl. Ing. Harald T. Galatis, Geschäftsführer und Technischer Leiter, Biebertaler Blutegelzucht
  • PD Dr. Karin Müller-Decker, Leiterin der Abteilung Tumormodelle, Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg
  • Prof. em. Dr. Hans-Jörg Rheinberger, ehemaliger Direktor des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte, Berlin
  • Prof. Dr. Matthias A. Schneider, Kardiologe und Fachtierarzt für Innere Medizin, Klinikum Veterinärmedizin der Justus-Liebig-Universität Gießen
  • Prof. Dr. Eckhard Wolf, Lehrstuhlinhaber für Molekulare Tierzucht und Biotechnologie, Ludwig-Maximilians-Universität München

Zusatzmaterial

  1. Medizinische Blutegelbehandlung
  2. Homöopathie
  3. Ayurvedische Medizin
  4. Tierversuche in der Medizin und Forschung
  5. Alternativen zu Tierversuchen
  6. Das Schwein als Spenderorganismus
  7. Organtransplantationen

1. Medizinische Blutegelbehandlung

Egel (Hirudinea) sind zwar eng mit den Regenwürmern verwandt, leben jedoch überwiegend in Gewässern – meist im Süßwasser. Viele sind Räuber und Aasfresser, aber einige Süßwasserarten haben sich zu Blutsaugern an verschiedenen Säugetieren entwickelt. Der berühmteste Vertreter dieser Gruppe ist der Medizinische Blutegel (Hirudo medicinalis), der mehr als 30 Jahre alt werden kann. Mit den scharfen Zähnchen seiner drei Schneideplatten („Kiefer“) durchdringt er selbst lederartige Haut und saugt innerhalb kürzester Zeit das Zehnfache seines Körpergewichts an Blut. Wegen des jahrhundertelangen – zum Teil professionellen – Fanges für den Aderlass und durch den Verlust ihres Lebensraums ist diese Art inzwischen so selten geworden, dass sie in Deutschland unter Naturschutz steht.
In einem anschaulichen Beitrag berichtet das Magazin „Odysso“ des SWR über den medizinischen Einsatz von Blutegeln:

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2. Homöopathie

Die Grundlagen der Homöopathie gehen auf die Veröffentlichungen des deutschen Arztes Samuel Hahnemann vor über 200 Jahren zurück. Diese Behandlungsform beruht auf dem Ähnlichkeitsprinzip (d. h. der Annahme, dass Ähnliches durch Ähnliches geheilt wird), der Potenzierung durch Verdünnung und in diesem Zusammenhang auch dem sogenannten „Wassergedächtnis“. Die Theorie über das Wassergedächtnis besagt, dass Wasser Strukturen bildet, die es ihm ermöglichen, Informationen von Substanzen abspeichern zu können. Abgesehen von einem Placebo-Effekt, bei dem sich auch Behandlungen mit wirkstofffreien „Medikamenten“ positiv auf den Heilungsprozess auswirken, lässt sich die Wirksamkeit von homöopathischen Arzneien mit den Methoden der empirischen Wissenschaften nicht belegen. Dennoch sind die meist als Globuli vertriebenen homöopathischen Mittel ein Millionengeschäft.

https://www.lifeline.de/therapien/homoeopathie/
https://www.bdh-online.de/lexikon/homoeopathie/
https://www.quarks.de/gesundheit/medizin/homoeopathie-wissenschaftlich-nicht-nachvollziehbar/#hom%C3%B6o4
https://www.quarks.de/gesellschaft/wissenschaft/so-funktioniert-der-placebo-effekt/

Die Formate „Dinge Erklärt – Kurzgesagt“ und „Terra X“ beleuchten das Themengebiet der Homöopathie in folgenden Beiträgen.

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3. Ayurvedische Medizin

Basierend auf einer über 2000 Jahre alten, indischen Lehre über das „Wissen des Lebens“ erhält Ayurveda in jüngerer Zeit auch die Aufmerksamkeit der westlichen Medizin. Ayurvedische Medizin steht im Kontext der Salutogenese. Bei ihr erfolgt die Behandlung zur Förderung der Gesundheit statt zur Bekämpfung einzelner Krankheiten. Die individuell abgestimmten ayurvedischen Behandlungs- und Ernährungskonzepte können die Schulmedizin vor allem in der Prävention und bei chronischen Erkrankungen ergänzen. Wissenschaftliche Belege zur Wirksamkeit ayurvedischer Medizin fehlen jedoch. Zudem stehen insbesondere einige Medikamente wegen hoher Schwermetallgehalte und fehlender Qualitätsstandards in der Kritik.

https://www.aerzteblatt.de/archiv/145838/Ayurveda-Traditionelle-Indische-Medizin-Mehr-als-ein-Wellnesstrend
https://www.minimed.at/medizinische-themen/schmerz-narkose/ayurveda/
https://www.leitbegriffe.bzga.de/alphabetisches-verzeichnis/salutogenese/

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4. Tierversuche in der Medizin und Forschung

Die Diskussion über den Nutzen und die Notwendigkeit von Tiersuchen ist heute ebenso intensiv wie kontrovers. Während seit 2013 keine kosmetischen Produkte mehr verkauft werden dürfen, deren Inhaltsstoffe speziell für diese Verwendung an Tieren getestet wurden, geht die Debatte um den Einsatz in der Medizin und Forschung weiter. Die Gegner stellen den Nutzen und die Aussagekraft von Tiermodellen infrage, vor allem für die Bewertung von Arzneistoffen. Die Befürworter verteidigen deren Notwendigkeit für die biologische und medizinische Grundlagenforschung sowie für die Erforschung chronischer Krankheiten. In Deutschland werden Tierversuche nur unter strengen Voraussetzungen zugelassen und ihre Durchführung muss genau dokumentiert werden. Ende der 1950er-Jahre veröffentlichten englische Wissenschaftler ethische Grundsätze für die Forschung mit Tieren: Vermeidung (Replacement), Verringerung (Reduction) und Verfeinerung (Refinement). In Deutschland wurde dieses auch als 3R-Prinzip bekannte Konzept im Jahre 2013 in das Tierschutzgesetz und in die Tierschutz-Versuchstierverordnung aufgenommen. Zudem sind der Einsatz und die Haltung von Versuchstieren stärker reglementiert und werden intensiver kontrolliert als die Haltung von Nutz- und Haustieren.

https://www.aerzteblatt.de/pdf.asp?id=78189
https://www.peta.de/themen/tierversuche-forschung-medizin/
https://www.peta.de/themen/tierversuche-kosmetik/
https://www.uni-heidelberg.de/md/ibf/info/dfg_tierversuche.pdf
https://www.age.mpg.de/de/forschung/informationen-ueber-tierversuche/labortiere-und-tierschutz

Bei dem YouTube-Kanal „maiLab“ berichten Forscherinnen und Forscher aus eigener Erfahrung über die Arbeit mit Versuchstieren.

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5. Alternativen zu Tierversuchen

Weiterführende Informationen rund um das Thema Tierversuche und deren Alternativen finden Sie auf der Webseite des Bundesinstituts für Risikobewertung.

https://www.bfr.bund.de/de/linkliste_zum_thema__alternativen_zu_tierversuche-4277.html

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6. Das Schwein als Spenderorganismus

Hauschweine (Sus scrofa scrofa) und Menschen haben neben einer vergleichbaren Organgröße auch genetisch große Ähnlichkeiten. Dies macht Schweine als potenzielle Organspender hoch interessant. Spenderorgane oder auch insulinproduzierende Bauchspeicheldrüsenzellen könnten zukünftig aus genetisch veränderten Schweinen stammen, deren Zellen im Menschen keine Immunreaktion auslösen. Erste Transplantationsexperimente mit Pavianen (Papio spec.) als Empfänger verliefen so vielversprechend, dass Transplantationen in den Menschen in naher Zukunft möglich werden könnten.

https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/genetik-schwein-und-mensch-kommen-sich-naeher
https://www.deutschlandfunk.de/organspender-aus-dem-stall-zu-besuch-bei-schweinen.740.de.html?dram:article_id=414362
https://www1.wdr.de/wissen/mensch/xenotransplantation-schweine-106.html

Der Bayerische Rundfunk arbeitet in einem Videobeitrag seines Formats „beta stories“ das Thema der Transplantate aus Schweinen noch einmal auf.

https://www.youtube.com/watch?v=riW4wZZjqqc

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7. Organtransplantationen

Frühe Transplantationsexperimente sind bereits für das 19. Jahrhundert dokumentiert. Doch erst 1954 gelang es einem amerikanischen Forscherteam, eine Niere zwischen eineiigen Zwillingen dauerhaft erfolgreich zu verpflanzen. Die Grundlage hierfür schafften die damals neuen Erkenntnisse zu Reaktionen des Immunsystems auf Zelloberflächenstrukturen. Vorher waren Transplantationsversuche innerhalb einer Art (allogen; beispielsweise zwischen Menschen) und zwischen Vertretern verschiedener Arten (xenogen; beispielsweise zwischen einem Menschen und einem Pavian) oftmals am mangelnden Verständnis der Abstoßung von Transplantaten gescheitert. Auch heute noch müssen die Empfänger eines körperfremden Transplantats in den allermeisten Fällen lebenslang Medikamente zur Unterdrückung der Immunabwehr (sogenannte Immunsuppressiva) einnehmen, um das Risiko einer Abstoßung zu minimieren.

https://www.bpb.de/apuz/33315/transplantationsmedizin-zwischen-fortschritt-und-organknappheit-geschichte-und-aktuelle-fragen-der-organspende?p=all#footnode2-2
https://www.netdoktor.de/therapien/transplantation/
https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/transplantatabstossung/67306

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Interessierte Hörerinnen und Hörer finden auf dieser Seite weiterführende Informationen zu den einzelnen Sendungsthemen als Zusatzmaterial.

Die taxonomische Einordnung von Tieren in diesem Zusatzmaterial basiert auf der aktuellen Fassung des Integrated Taxonomic Information System (ITIS) mit letztem Zugriff am 24.02.2021.

Die Zusatzmaterialien werden in der Reihenfolge gelistet, in der die Stichworte in der Sendung Erwähnung gefunden haben. Die Materialien wurden zum Zugriffszeitpunkt 24.02.2021 erstellt von:
M.Sc. Biol. Karl Trüller & B.Sc. Biol. Lennart Schulte

Zusatzmaterialien als PDF zum Herunterladen